Arbeitsrecht versus Meinungsfreiheit

Damit wies das Bundesarbeitsgericht die Revision des beklagten Landkreises gegen das Urteil der Berufungsinstanz zurück. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht hatte noch zu Ungunsten der Klägerin entschieden.

Streitig war zwischen den Parteien die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und ein Auflösungsantrag des beklagten Landkreises.

Die Klägerin ist Diplom-Verwaltungswirtin und war beim beklagten Landkreis seit 2010 angestellt als Leiterin der Erhebungsstelle Zensus. Sie wurde nach dem TVöD-VKA entlohnt.

Die Klägerin kandidierte 2012 zur Wahl des Landrates gegen den zur Wiederwahl stehenden Amtsinhaber, ihrem eigentlichen Arbeitgeber. Sie warb für sich mit einem Flyer, in dem sie die "Säulen" vortrug, von denen ihre Politik getragen sei.

Zum Punkt "Transparenz in der Verwaltung" schrieb sie:
"Wie der jüngste Umweltskandal in [B.] und der Subventionsbetrug am [Rathaus in C.] beweist, deckt der amtierende Landrat sogar die Betrügereien im Kreis. Ich stehe für eine transparente Politik, die Gesetze einhält und die Pflichtaufgaben des Landkreises überprüft."

Der Flyer wurde mit einer Stückzahl von 28.700 verteilt. Hierauf wurde der Klägerin das Arbeitsverhältnis mit dem Vorwurf der Beleidigung und üblen Nachrede gekündigt.

Wir erhoben für die Klägerin gegen die Kündigung Klage, da nach unserer Ansicht weder für eine außerordentliche noch ordentliche Kündigung ein Grund vorliege.
Hauptargument war, dass Ihre Äußerungen nicht im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, sondern des Wahlkampfes gefallen seien und daher von der Meinungsäußerung gedeckt seien. Der Flyer sei missverstanden worden. Es sei nie darum gegangen, jemanden zu diffamieren oder zu beschuldigen. Die Klägerin habe nur darauf aufmerksam machen wollen, dass der Landrat wegen des Umweltskandals nichts habe unternehmen wollen und er sei auch nicht transparent genug mit dem Thema umgegangen.

Wir haben beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose noch durch die ordentliche Kündigung aufgelöst worden sei. Der Landkreis solle verurteilt werden, sie zumindest weiter zu beschäftigen bis das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sei.

Der Landkreis hat die Abweisung der Klage beantragt, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Abfindungszahlung aufzulösen.

Er vertrat die Auffassung, die Klägerin habe wider besseres Wissen dem Landrat unterstellt, dieser decke Betrug und erfülle somit den Tatbestand der Strafvereitelung. Das Unterstellen krimineller Machenschaften sei nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern stelle eine grobe Beleidigung und eine üble Nachrede dar. Das müsse der Landrat auch im Wahlkampf nicht akzeptieren. 
Der Betriebsfrieden sei durch die Klägerin nachhaltig gestört worden.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und gab zunächst dem beklagten Landratsamt Recht. Das Landesarbeitsgericht gab unserer Berufung statt und wies den Auflösungsantrag ab. Mit der Revision erstrebte der Beklagte die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.

Doch er hatte damit keinen Erfolg. Denn das BAG ist der Ansicht, das LAG habe richtig entschieden. Die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Es fehle an einem wichtigen Grund gemäß Paragraph 626 Abs. 1 BGB. Dieser sei dann gegeben, wenn Tatsachen vorlägen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Ein solcher Grund könne sich auch aus der Verletzung von Nebenpflichten aus dem Vertrag ergeben, wozu auch die Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Partei gehören können.
Grobe Beleidigungen stellen eine Pflichtverletzung dar, auch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen seien ein Grund, der eine Fortsetzung des Vertrags als nicht zumutbar erscheinen lasse.
Etwas anderes seien jedoch Äußerungen, die keine Tatsachenbehauptungen, sondern Werturteile enthalten. Diese fallen in den Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Dasselbe gelte für gemischte Äußerungen, in denen sowohl Tatsachen als auch Meinungen enthalten seien, wenn sie durch Elemente der Stellungnahme geprägt seien. Darauf könne sich auch ein Arbeitnehmer berufen.

BAG, Urteil vom 18.12.2014, Az. 2 AZR 265/14