Kann Urlaub nach langjähriger Krankheit jetzt doch wieder verfallen ?

In einem dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) neulich vorgelegten Arbeitsrechtsfall, hat sich dieser mit dem Thema zu beschäftigen, ob nach langjähriger Krankheit noch bestehender Urlaub doch verfällt (Rs. C-214/10 Schulte gg. KHS).

Arbeitnehmer haben gemäß § 1 und § 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) pro Kalenderjahr Anspruch auf mindestens vier Wochen Urlaub. Bei einer unterstellten Fünftagewoche sind das 20 Urlaubstage pro Jahr. Wird der Urlaub bis Ende Dezember jedoch nicht durch den Arbeitnehmer genommen, kann er nur ausnahmsweise auf das Folgejahr übertragen werden.

Hierzu ist Voraussetzung für eine Übertragung, dass dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe es verhindert haben, dass der Urlaub bis Ende Dezember genommen wurden ist (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Aber auch wenn der Urlaub auf das Folgejahr übertragen wurde, ist er spätestens bis zum 31. März des Folgejahres endgültig zu nehmen, denn danach verfällt dieser.

Dies alles zuvor gesagte gilt aber nicht, wenn der Arbeitnehmer infolge einer längeren Erkrankung gar keine Möglichkeit hatte, seinen Urlaub zu nehmen (Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 und C- 520/06).

 Diese Rechtsansicht des EuGH steht nun auf dem Prüfstand.

Neuerliche Überlegungen führen zu der Frage, ob die Ansammlung von Urlaubsansprüchen bei langer Erkrankung nicht irgendwie begrenzt werden sollten (Schlussanträge, Rs. C-214/10 - KHS gg. Schulte).

Zu welcher Problematik hat sich die Generalanwältin dazu nun geäußert?

Nach Ihrer Ansicht kann der vom Europarecht vorgeschrieben Mindestanspruch von vier Wochen Urlaub pro Jahr, auch bei dauerhafter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit irgendwann erlöschen.

Der von den Mitgliedsstaaten der EU geltende Übertragungszeitraum muss aber mindestens so lang sein, dass der verfolgte Urlaubszweck auch bei einer längeren Erkrankung gewährleistet ist. Eine gesicherte Erholungsmöglichkeit muss daher gewährleistet sein.

Ob der Mindestübertragungszeitraum jedoch unendlich gewährt werden muss, ist dem Europarecht nach Auffassung der Generalanwältin nicht zu entnehmen.

Sie deutet auf der bestehenden europarechtlichen Grundlage, dass die Aufrechterhaltung von krankheitsbedingten nicht genommenem Urlaub für eine Übertragungszeit von 18 Monaten völlig ausreichend sei, wobei diese Frist nach Ablauf des Jahres beginnt. Dies sei auch Interessengerecht in Ansehung der verlorenen Arbeitskraft der Arbeitgeber.

Insofern der EuGH zumeist den Vorschlägen der Generalanwälte nachkommt, wird der EuGH wohl demnächst entscheiden, dass krankheitsbedingt angesammelter Urlaub gemäß den mitgliedsstaatlichen Übertragungsregelungen verfallen kann.

Wie die deutschen Arbeitsgerichte auf solch eine Änderung der Rechtspraxis des EuGH reagieren werden, ist derzeit noch offen.

Falls Sie oder Ihr Unternehmen diesbezüglich Beratungsbedarf haben, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen.