Auslegung und Wirksamkeit eines Erb- und Pflichtteilsverzichtes

Die Unwirksamkeit eines Erbverzichts kann erst dann auf die Auslegungsregeln des § 2350 BGB gestützt werden, wenn die Ermittlungen des Willens der Verzichtsparteien ohne Erfolg geblieben sind.

Dabei liegt die Beweislast bei demjenigen, der entgegen den Vermutungen des § 2350 BGB aus einem unbedingten Verzicht Rechte herleiten will.

Der BGH entschied folgenden Fall: Der Kläger ist zum Alleinerben seines Vaters eingesetzt worden. Dieser schloss mit seinem zweiten Sohn einen notariellen Erbschafts- und Pflichtteilsverzichtsvertrag. Im Vertrag setzte der Erblasser den Beklagten, seinen Cousin, zum Alleinerben ein. Der Vater verstarb. Der als testamentarischer Alleinerbe eingesetzte Sohn klagte nunmehr gegen den Cousin und wollte festgestellt wissen, dass ihm nach seinem Vater ein Pflichtteilsanspruch von 50%zustehe, der Beklagte hingegen meinte, der Kläger sei nur zu 25%Pflichtteilsberechtigt, da der Bruder aufgrund der Unwirksamkeit seines Verzichts bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen sei.

Nach Auffassung des vorinstanzlichen Gerichts gebührte dem Kläger nur ein Pflichtteil von 25%.

Der BGH hob dieses Urteil mit folgender Begründung auf:

Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerhaft aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers zu seiner Abtretung des Pflichtteilsanspruchs seines Bruders nicht berücksichtigt. Die Unwirksamkeit des Erbverzichts habe das Berufungsgericht vorschnell mit § 2350 BGB begründet. Dieser enthält nämlich zwei Auslegungsregeln. § 2350 BGB kann danach erst zur Anwendung kommen, wenn erfolglos versucht wurde, den Willen der beiden Parteien des Verzichtsvertrages zu ermitteln.

BGH, Urteil vom 17.10.2007, Az. IV ZR 266/06

Anmerkung:
Die Entscheidung des BGH weist erneut auf die mit einem Erbverzicht verbundenen Probleme hin. Anders als der in der Praxis häufig vereinbarte Pflichtteilsverzicht bewirkt der Erbverzicht nach § 2310 Satz 2 BGB, dass der Verzichtende bei der Berechnung des für den Pflichtteil maßgeblichen Erbteils nicht mitgezählt wird. Der Erbverzicht führt damit bei mehreren Pflichtteilsberechtigten nicht etwa zu einer Reduzierung der Pflichtteilslast, sondern zu einer Erhöhung des Pflichtteilsanspruchs der anderen Pflichtteilsberechtigten.